Auswahl Freiberufler

Mittwoch, 18 Februar 2015 14:51 geschrieben von 
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Mit 30 Jahren IT und 15 Jahren Telekommunikation kennt man den Markt, man kennt die Anforderungen, man hat eben Erfahrung, wie wohl selten jemand anders in dieser Branche. Insbesondere dann, wenn man zu Beginn Software für Großorganisationen entwickelt hat.

Daumen hoch!Erhält man nun eine Absage bei einer Ausschreibung, für die mehr als fachliche Qualifikation vorhanden gewesen wäre, stellt man sich Fragen.

Das ist ein ganz normaler Vorgang im Marketing. Es kann natürlich schon sein, dass die Fülle an Kenntnissen den Prüfer erschlägt.

Zu diesen Fragen gehören auch die Fragen, wieso man Erwartungen nicht erfüllt hat obwohl man ja weiß, man sie leicht erfüllen, sonst hätte man ja nicht an der Ausschreibung teilgenommen.

Dazu muss man verstehen, wie heute Entscheidungen getroffen werden: Jeder glaubt, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn er nur eine geeignete Anforderungsmatrix erstellt. Dieser Gedanke ist weitgehend falsch genauso wie die Ausführungsfehler beim Erstellen der Matrix.

Leider haben die wenigsten Mengenlehre und Venn-Diagramme studiert. Es ist nämlich so: Je mehr Eigenschaften notiert werden, um so viel geringer ist die Schnittmenge. Das heißt einfach, umso weniger Kandidaten passen.

Der andere, gerne begangene  Fehler entsteht in der Grundannahme, Forderungen aus der Erfahrung der Vergangenheit seien zielführender. Das ist in vielen Fällen falsch, wird dennoch als richtig angenommen, weil dieses Vorgehen seit Existenz der Menschheit eine Strategie, zu Lernen aus Fehlern, ist. Das kann man deutlich am Verhalten von Politikern sehen.

Ein Beispiel: Wenn eine Firma ein IT Projekt aus dem betrieblichen Bereich schlecht beendet hat, so nimmt man an, fehlendes ITIL Verständnis habe dazu geführt. Konsequenterweise sucht für Nachfolgeprojekte einen Projektleiter mit ITIL Zertifizierung, damit dies ja nicht mehr passiert. Das ist grottenfalsch. Dies passierte der Barmer Ersatzkasse.

Die Forderung nach ITIL Zertifikat schränkt die Menge der in Frage kommenden Personen so weit ein, dass ein derartiger Projektleiter unwahrscheinlich ist. Natürlich ist es auch möglich, einen Erfahrenen zu finden, es ist aber sehr unwahrscheinlich.

Ich sprach eine Agentur deshalb an. Die Agentur bestätigte mir, dass diese Forderung der Barmer nicht nachvollziehbar sei, aber man könne ja als kleine Agentur nicht die Barmer evangelisieren und die Einkaufsabteilung würde da bei Einspruch recht barsch reagieren. Das ist wohl wahr und verständlich. Doch: Wie bitte? Wer gibt da bei der Barmer Auskunft? Jemand, der was von IT versteht? Die Einkaufsabteilung? Sicherlich nicht.

Sofort stellt sich die Frage: Welche Qualifikation haben diese Menschen da zur Erfüllung ihrer Aufgaben? Offenbar nicht die passenden, den besten Projektleiter zu bekommen, denn das verhindern sie ja durch ihre Auswahlparameter. Also zumindest sind Einkaufsabteilungen und die Gulps der Welt nicht die Richtigen für eine gute Auswahl.

Das bedeutet natürlich nicht, dass der die Aufgabe jetzt ausführende Kollege eine Fehlbesetzung sein muss. Das Grandiose ist ja, es gibt schon viele gute Leute auf dem Markt. Daher können auch die dümmsten Agenturen mit dem dümmstgen Einkaufsabteilungen reüssieren.

Sinnstiftend ist das heute von vielen Firmen geübte Verfahren der Auswahl für die Qualität der Besetzung keinesfalls. Es lohnt sich auch heute noch, nach Qualität und Erfahrung, nicht nur nach Zertifikat zu beauftragen.

Und da es noch Agenturen gibt, die Wert auf gute Arbeit legen, bin ich noch hoffnungsvoll. Wenigstens in der Frage, ob die guten Agenturen wohl überleben.

Für GULP speziell: Gulp überlebt nicht wegen Qualitätsarbeit, sondern durch großen Zufall und die gute Arbeit der vermittelten Consultants. Anders gesagt, der Menschen, die die Arbeit auch bei geringerer Qualifikation exzellent bewerkstelligen, nicht durch die gute Vorselektion der Gulp-Mitarbeiter. Zum Beispiel. Darum können die Gulp-Mitarbeiter die angefragten Aufgaben logischerweise nicht ausführen. Aber zur Beurteilung werden sie gefragt. Das ist mutig. Mit anderen Worten: Es hätte eventuell bessere Consultants gegeben. Ich kenne auch viele, die deshalb mit Gulp nichts mehr zu tun haben wollen. Achtung, es gibt auch andere "Gulps".

Nur zur Sicherheit: Mir geht es nicht darum, Gulp generell in Frage zu stellen. Die Leute dort machen ihre Arbeit wie andere Menschen auch. Es geht mir aber nicht aus dem Kopf, wieso Auftraggeber die Beschaffung von freiberuflichen Ressourcen durch ihre Einkaufsabteilungen und deren Erfüllungsgehilfen zulassen, denn die haben von der Materie nachweislich keine Ahnung?

Das Geschäftsmodell der Agenturen soll doch nicht sein: Wir liefern Alles. Eingeschlossen Unpassende. Und wenn einer nicht passt, bekommt man sofort Ersatz? Wie findet der Kunde heraus, dass einer nicht richtig passt? Das untersucht man doch gar nicht erst, denn wenn einer nicht gepasst hätte, käme ja die Frage auf, wieso man bei der und der Agentur beauftragt hätte?

Das Spiel wird für Großorganisationen noch perfider, weil bei denen sogenannte preferred Supplier aktiv sind, die nicht regelmässig überprüft werden. Egal wie, ein preferred Supplier KANN ja nichts falsch machen. Per definitionem.

Gelesen 12817 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 18 Februar 2015 15:32
Michael Schmid

Ich bin Inhaber der Firma it-dialog e.K. und entwickle seit 30 Jahren Produkte und leite seit 25 Jahren Projekte im Umfeld IT, Telekommunikation und Unternehmensorganisation, gerne auch als Interim Manager. Meine Erfahrung kombiniert mit Ereignissen der Gegenwart beschreibe ich journalistisch als Zeitzeuge; gerne über Dinge, die aus meiner Sicht auch besser laufen könnten. Ich hoffe auf Interessenten und Diskutanten

Webseite: www.it-dialog.com

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